Fall Onisiwo: „Verfahren beim Lizenzausschuss möglich“

  • Anwalt Wolfgang Rebernig bei Sky Sport News HD: „Mattersburg hat zwei Fehler gemacht“
  • Über eine mögliche Transferentschädigung für den SVM: „Chance gegen Null“
  • Über Aufholbedarf auf Funktionärsseite: „Ich empfehle entsprechende Schulungen über die Verbände“

Wien, 6. Jänner 2016. Im Interview mit Sky Sport News HD spricht Anwalt Wolfgang Rebernig, ehemals unter anderem Berater von Philipp Hosiner sowie Leiter der Rechtsabteilung der Österreichischen Fußball-Bundesliga…

 

…über den Wechsel von Onisiwo nach Mainz: „Nach dem Urteil ist klar, dass der Wechsel nach Mainz möglich ist. Möglich ist er deswegen, weil nach österreichischem Arbeitsrecht zwar – wenn von Mattersburg Berufung eingelegt wird – die Rechtskraft, aber nicht die Vollstreckbarkeit des Urteils hemmt. Das heißt, Onisiwo konnte aufgrund der Feststellung des Erstgerichtes ablösefrei zu jedem Verein seiner Wahl wechseln und wird auch die entsprechenden Freigaben für seine Spielberechtigung erhalten müssen. Mattersburg kann diesen Wechsel momentan definitiv nicht verhindern. Faktum ist allerdings, dass, wenn ein Berufungsgericht oder der Oberste Gerichtshof eine andere Entscheidung fällen, müsste Onisiwo im Rahmen des Vertragsverhältnisses bei Mainz dafür Sorge tragen, dass er auch dort rechtzeitig wieder rauskommt, denn dann müsste er den Vertrag bei Mattersburg wieder erfüllen. Nach der derzeitigen mir bekannten Sach- und Rechtslage glaube ich aber doch, dass die Chance auf eine Aufhebung des erstinstanzlichen Urteiles nicht sehr wahrscheinlich sein wird.“

 

…auf die Frage, wie lange sich die Angelegenheit hinziehen kann: „Das hängt vom Arbeitsanfall der Gerichte ab. Die normale Dauer von Berufungsverfahren beträgt zwischen einem halben und einem Jahr. Sollte es bis zum Obersten Gerichtshof gehen, kann man auch von zwei bis drei Jahren ausgehen. Klar ist aber, dass Onisiwo in dieser Zeit berechtigterweise bei jedem anderen Verein spielberechtigt sein wird.“

 

…auf die Frage, ob Mainz alles richtig gemacht habe bzw. rechtlich gut beraten gewesen sei: „Defintiv, aber auch der Spieler, der ja nach Zustellung des Urteils offenbar nicht zum Trainingsauftakt erschienen ist, sodass er von der Vollstreckbarkeit des Urteils sofort Gebrauch gemacht hat und zu einem Drittverein gewechselt ist. Ob Mattersburg nun eine Freigabe aufgrund dieses Urteils erteilt, wird sich zeigen. Ich glaube, sie müssen es machen, ansonsten wird wahrscheinlich über die FIFA im Rahmen einer provisorischen eine Spielberechtigung für Mainz erteilt werden.“

 

…über die Fehler des SV Mattersburg: „Aus dem Urteil ist zu entnehmen, dass Mattersburg am Beginn offenbar etwas übersehen hat, was im Kollektivvertrag grundsätzlich als Voraussetzung für eine rechtsgültige Optionsvereinbarung gemacht hätte werden müssen, nämlich, dass Leistung und Gegenleistung für diese zweijährige Option korrekt vereinbart hätte werden sollen. Das wurde nicht gemacht. Abgesehen davon, dass bei einem befristeten Vertrag von einem Jahr, in dem dann weiters zwei Jahre eine Optionsmöglichkeit zu Gunsten des Vereines vereinbart ist, das Verhältnis – ein Jahr fix, zwei Jahre optional – einfach mit dem österreichischen Arbeitsrecht nicht vereinbar ist. Da beginnt der erste Fehler. Der zweite Fehler, der offenbar auch noch begangen wurde, ist, dass man eine Zuzahlung des Gehaltes zwar nachträglich vereinbart hat – allerdings nicht durch die richtigen, vertretungsbefugten Organe. Das ist ein weiterer Fehler, der eigentlich nicht passieren dürfte. Ich kann das nur so erklären, dass aufgrund der Geschwindigkeit, aufgrund der Übung, gerade bei Vereinen, wo man nicht genau auf die Statuten schaut, das einfach nicht bedacht wurde. Nicht mutwillig, aber es könnte natürlich allerdings eine Nachfolgewirkung im Lizenzbereich haben.“

 

…über die Chancen einer Berufung von Mattersburg und ob die Burgenländer eine Transferentschädigung bekommen könnten: „Ich halte die Chancen gegen Null gehend, weil in der Sache selbst Fehler passiert sind, die im Rahmen eines Berufungsverfahrens nicht so leicht zu reparieren sind. Generell ist das Optionsrecht im Arbeitsrecht eine sehr heikle, wenn nicht sogar verpönte Angelegenheit, obwohl es im Sport branchenüblich ist. Optionen müssen aber in einem Verhältnis stehen. Man darf nicht vergessen: Der Dienstnehmer, der Fußballer, weiß zum Teil gar nicht, wann sein Vertrag endet. Das ist etwas, was das Arbeitsrecht nicht kennt. Man möchte ja, dass der Dienstnehmer einen Berufswechsel selbst entscheiden kann. Im befristeten Bereich ist das Enddatum eines Spielers bei einer Option nicht immer absehbar. Da gibt es viel Handlungsspielraum bei den Vereinen. Ähnlich wie bei Bosman müssen sich die Vereine umstellen und andere Vertragskonstruktionen überlegen. Hier würde ich sehr wohl empfehlen, dass man für die Vereinsfunktionäre entsprechende Schulungen über die Verbände – Bundesliga, aber auch ÖFB – anbietet, denn das ist ein sehr komplexer Bereich.“

 

…über mögliche Verbesserungen auf rechtlicher Seite: „Um bestmögliche Rechtssicherheit zu haben, empfehle ich seit Jahren, einen Lizenzspielervertrag zwischen dem Spieler und dem jeweiligen Verband zu machen. […] Die Deutschen haben uns das schon gut vorgezeigt und ich glaube, die Streitigkeiten sind dort relativ gering.“

 

…über den Aufholbedarf auf Funktionärsseite: „Wir haben ein gutes Ausbildungssystem im sportlichen Bereich, jetzt fehlt sozusagen zur Abrundung noch der Funktionärsbereich. Man muss hier vom Managementbereich unterscheiden, die Manager sind gut ausgebildet, aber die Entscheidungsträger sind noch immer die berühmten Präsidenten oder Vereinsfunktionäre. Hier scheint es doch einen Mangel an Bewusstsein, dass der Sport im Rahmen seiner rechtlichen Weiterentwicklungen und seiner wirtschaftlichen Weiterentwicklungen so komplex geworden ist, dass man nicht mehr sagen kann: ‚Ich bin da jetzt Präsident und entscheide‘. Man sieht ja am Beispiel Mattersburg, dass selbst erfahrene Präsidenten wie Herr Pucher Fehler machen können – nicht vorsätzlich oder bewusst, das ist wahrscheinlich einfach mangelndes Wissen.“

 

…auf die Frage nach möglichen Folgen für die Bundesliga-Lizenz des SV Mattersburg: „Ich würde es nicht ausschließen, weil nun auch die Vertragskonstruktion mit Onisiwo bekannt ist. Es gab ja auch ein Verfahren im Rahmen des Senat 2. Natürlich kann es durchaus ein Verfahren beim Lizenzausschuss geben, wenn hier möglicherweise Verstöße gegen verbandsrechtliche Normen feststellbar sind. “

 

Link: Onisiwo unterschreibt beim FSV Mainz 05