Italien als „Gradmesser“ für Rangnick und ÖFB-Team

Auf Österreichs Fußball-Nationalteam wartet zum Jahresabschluss am Sonntag (20.45 Uhr) in Wien noch ein echter Gradmesser. Keine zwei Stunden nach Ende des Eröffnungsspiels der WM in Katar empfängt das Team von Ralf Rangnick Europameister Italien. Revanchegedanken für das verlorene EM-Achtelfinale vor eineinhalb Jahren (1:2 n.V.) wollen die Spieler nicht in den Vordergrund rücken. Rangnick erhofft sich auch Aufschlüsse über das Leistungsvermögen einzelner Kicker.

Das erklärte ÖFB-Ziel ist ein Sieg, es wäre der dritte im achten Länderspiel unter Rangnick und der erste gegen Italien seit 1960. „Um das Spiel zu gewinnen, brauchen wir sowohl individuell als auch mannschaftstaktisch eine Topleistung“, meinte der Teamchef. „Wir müssen Power in der Offensive haben, aber auch eine gute Defensive.“ Die Balance stehe im Fokus. „Wir brauchen auf der einen Seite ein kompaktes Abwehrverhalten und auf der anderen Seite genug Mut und Personal, ihnen auch in der Abwehr Probleme zu bereiten.“

Die Italiener hätten zuletzt einige jüngere Akteure eingebaut. Rangnick sprach von der „zukünftigen Generation“. Mit Leonardo Bonucci und Co. verfügen die „Azzurri“ aber auch noch über einige Haudegen mit viel Erfahrung. Rangnick charakterisierte sie so, „wie Italiener eigentlich immer sind: taktisch sehr diszipliniert, sehr positionstreu. Wenn man ihnen zu viel Platz lässt, sind sie sicher auch in der Lage, technische Lösungen zu finden.“

Mehr als vier Monate sind es noch bis zum Start der EM-Qualifikation Ende März gegen Aserbaidschan (24. März) und Estland (27. März). Der Test gegen Italien ist aber die letzte Chance, sich davor zu zeigen. Viele Akteure wollen sie nutzen. „Am Ende nominieren sich die Spieler selber“, sagte Rangnick – sowohl mit Leistungen bei ihren Clubs als auch mit dem Bild, das sie im ÖFB-Camp abgeben. Der Sonntag soll weitere Erkenntnisse liefern. „Klar ist das auch ein Gradmesser, der mit einfließt in die Überlegungen, wer dann nominiert wird.“

Nicht zur Verfügung stehen wird gegen die Italiener aller Voraussicht nach Andreas Weimann. Der Offensivallrounder vom englischen Zweitligisten Bristol City hatte beim 1:0-Zittersieg am Mittwoch gegen Andorra einen Schlag auf das Knie bekommen, eine genaue Diagnose ist ausständig. Fraglich sind auch die Innenverteidiger Gernot Trauner (Hüfte) und Philipp Lienhart (Knöchel).

Teamchef fordert nicht nur „Power in der Offensive“, sondern auch kompaktes Abwehrverhalten

Mangels Alternativen auf den Außenverteidiger-Positionen könnte sich Rangnick daher für eine Viererabwehr mit Stefan Posch, Kevin Danso, Kapitän David Alaba und Maximilian Wöber entscheiden. Das wären vier gelernte Innenverteidiger. Auch eine defensive Dreierkette, wie sie zuletzt im September gegen Kroatien (1:3) und Andorra praktiziert wurde, ist möglich. Weimann hätte in diesem Plan aber wahrscheinlich eine Rolle gespielt.

Marko Arnautovic ist im Sturmzentrum gesetzt, nachdem er das ÖFB-Team als „Joker“ gegen Andorra vor einer Blamage bewahrt hatte. „Die Erwartung ist, dass wir unser Spiel aufziehen und das Spiel für uns entscheiden wollen“, erklärte der Bologna-Legionär. 105 Länderspiele hat Österreichs Rekordmann bisher absolviert. Jede Partie im Nationalteam sei „etwas Besonderes“, betonte Arnautovic – ob es nun gegen seine Wahlheimat Italien gehe oder nicht.

Das 1:2 vor eineinhalb Jahren in Wembley ist nicht vergessen. Das mögliche Führungstor von Arnautovic im EM-Achtelfinale gegen Italien zählte wegen Abseits nicht. „Dass es eine Revanche ist, würde ich jetzt eher nicht sagen. Es ist ein Spiel, das wir sehr ernst nehmen“, meinte der 33-Jährige. „Es gibt keinen Test. Ein Spiel ist ein Spiel. Wir wollen reingehen und versuchen, das Spiel zu gewinnen.“

Das sieht auch Rangnick so. Ziel für den Lehrgang seien zwei Siege gewesen. Teil eins gegen Andorra wurde mit einiger Mühe erfüllt. „Ich sehe das Spiel bei weitem nicht so kritisch, dass man die Mannschaft an den Pranger stellen muss“, blickte der Deutsche noch einmal zurück. Die Kulisse in Wien wird besser sein als im leeren Estadio La Rosaleda in Malaga. Auch für das Spiel im Ernst-Happel-Stadion waren bis Freitagabend allerdings erst 16.000 Karten verkauft.

„Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass bei einem Spiel gegen Italien, den amtierenden Europameister, das Ernst-Happel-Stadion eher ausverkauft ist als halbleer“, sagte Rangnick. Zumal das Team für einige Zeit zum letzten Mal in Wien zu sehen sein könnte. Das Heimdoppel zum Auftakt der EM-Quali dürfte laut Rangnick in Linz über die Bühne gehen. Vor Spielbeginn gegen Italien wird es eine Schweigeminute für den am Mittwoch verstorbenen Ex-ÖFB-Teamstürmer Gerhard Rodax geben.

Auch Italiens Teamchef Roberto Mancini dürfte im Vergleich zum 3:1 am Mittwoch in Albanien kräftig umstellen. So werden etwa Torhüter Gianluigi Donnarumma und Mittelfeldstar Nicolo Barella in der Startelf zurückerwartet. Im Zentrum des Dreiersturms dürfte erneut Giacomo Raspadori vom überlegenen Serie-A-Tabellenführer SSC Napoli beginnen. Die „Azzurri“ reisen am Samstagvormittag nach Wien – und treffen damit früher dort ein als das ÖFB-Team, das erst am Abend vom Trainingslager aus Marbella zurückkehrt.

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(APA)/Bild: GEPA