Noriaki Kasai startet in seine 27. Tournee

Oberstdorf (SID) – Das richtige Weihnachtsfest findet für Noriaki Kasai erst am 30. Januar statt. „Wir haben beschlossen, dass wir immer Rinos Geburtstag als Weihnachten feiern“, sagt Japans ewiger Skispringer. Rund um den Ehrentag seines Töchterchens (1) steigen nämlich üblicher- und praktischerweise Wettkämpfe in Kasais Heimatstadt Sapporo. Die vergangenen Tage konnte der 45-Jährige somit ganz der anderen großen Liebe widmen – eine Vierschanzentournee ohne Nori ist schließlich undenkbar.

Zum 27. Mal startet Kasai am Samstag (16.30 Uhr) in Oberstdorf in eine Tournee, 28 Jahre nach seinem Debüt 1989 an gleicher Stelle. Gesprungen wurde damals im Parallelstil, ein Auszug aus der Ergebnisliste: Thoma (1.), Weißflog (3.), Nykänen (7.), Vettori (10.), Kasai (26.). Alle anderen Kontrahenten von damals sind seit vielen Jahren Privatiers, nur Nori fliegt und fliegt und lächelt.

Die Geschichte seiner Karriere ist so gut, die des Benjamin Button der Schanzen, wäre sie nicht Realität, man müsste sie erfinden. „Es macht mich ein wenig wehmütig zu sehen, dass er immer noch springt und ich schon lange nicht mehr dabei bin“, sagt Sven Hannawald, zwei Jahre jünger, seit elfeinhalb Jahren im Ruhestand.

Der Plot der Kasai-Story wendet sich allerdings fast 30 Jahre nach seinem Weltcup-Debüt vom Märchenhaften nun doch ein wenig ins Rationale: Der unverwüstliche Flugsaurier wirkte zuletzt angeschlagen, wie, nun ja: ein 45-Jähriger als Skispringer eben wirkt. Die Knie schmerzten, der Rücken zwickte, das stete Lächeln schien gequält.

Der Start in eine Saison, in der Kasai eigentlich seine zwei großen Karriereträume erfüllen wollte, den vom Tournee- und den vom Olympiasieg, war ernüchternd: Ein zehnter Platz in Titisee-Neustadt, als der Wettkampf nach einem Sprung abgebrochen wurde, ansonsten verpasste der Skiflugweltmeister von 1992 stets den zweiten Durchgang, 42. und 48. war er zuletzt in Engelberg. „In der Pause vor der Tournee konnte ich Kopf und Körper erfrischen“, sagt Kasai.

Ob das aber reicht, um es noch ein weiteres Mal mit den halb so alten Burschen aufzunehmen? „Fliegerisch kommt an Noriaki keiner ran, aber Absprung und Athletik sind in seinem Alter die großen Fragezeichen“, sagt Hannawald: „Aber wenn er die Bedingungen hat, ein bisschen mehr Aufwind, dann springt er vielleicht ums Podium mit.“

Und wenn die Krise anhält? Aufhören ist für den Vollblut-Wettkämpfer, der 2016 die Geburt Rinos – der Name ist ein Anagramm seines Rufnamens Nori – in der Nacht zwischen den beiden Springen in Sapporo erlebte und am nächsten Tag Dritter wurde, keine Option. Kasai wird weitermachen wie bisher.

Auch an seinem 50. Geburtstag, das bekräftige er zuletzt, will er noch Skispringer sein. Sein Ritual, vor jedem Wettkampfsprung die Tür zum Service-Container aufzureißen und seinem österreichischen Techniker Andreas Gruber mit erhobener Faust auf Deutsch „Gewinner!“ entgegenzurufen, pflegen.

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