Schwimm-WM-Medaillengewinner Podoprigora: „Einmal bin ich umgekippt“

2001 schwamm er in Fukuoka über 200 Meter Brust als erster Österreicher zu einer WM-Medaille. Im Sky-Interview zur Schwimm-WM in Gwangju/Südkorea spricht Maxim Podoprigora, Ex-Europarekordhalter und mehrfacher internationaler Medaillengewinner, über die Chancen der österreichischen Athletinnen und Athleten, infrastrukturelle Schwierigkeiten und notwendige Nebenjobs.

 

Wie sind Sie noch mit dem Schwimmsport verbunden?

Ich verfolge den Schwimmsport sehr gerne. Die WM werde ich nur im Fernsehen verfolgen, wenn dann zu Hause. Leider gibt es ja Zeitunterscheide in der Übertragung, aber die Ergebnisse schaue ich mir immer genauer an – nicht nur die österreichischen, sondern auch die Gesamtergebnisse.

Ist die Chance auf eine Finalteilnahme oder einen Medaillengewinn bei den österreichischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorhanden? Wem trauen Sie in Südkorea am meisten zu?

Die ist da. Und zwar bei den Damen und den Herren. Caroline Pilhatsch hat schon einmal bewiesen, dass sie es kann. Auf den 50 Metern hat sie in dieser Saison gezeigt, dass sie sich sehr steigert. Sie ist momentan, glaube ich, Zehnte in der Weltrangliste, bis zum zweiten, dritten Platz sind es nur drei Zehntel. Das ist auf 50 Metern nicht wenig, aber der Einzug ins Finale oder eine Medaille ist möglich. Auch Felix Auböck hat schon vor zwei Jahren bewiesen, wie gut er schwimmen kann (Anm.: zwei Finalteilnahmen 2017). In Japan hat er dieses Jahr gezeigt, dass seine Leistungskurve gut aussieht. Er hat in dieser Saison noch nicht viel auf der Langbahn gezeigt, aber das heißt nicht, dass er keine Chancen hätte. Meiner Meinung nach wird es das Finale, und wer weiß, wie er drauf ist und was er noch zeigen kann.

Ihr Medaillengewinn war der Startschuss einer sehr erfolgreichen Ära des österreichischen Schwimmsports. Wie sehen Sie die damaligen Medaillengewinne nachträglich? Sind solche Erfolge in Zukunft möglich?

Bestimmt. Ich habe von meinem Trainer gelernt, dass es jeder schaffen kann – also warum nicht? Es liegt an den Trainern, am Umfeld und an den Sportlern selbst. Alleine ist es schwierig, so etwas zu schaffen, aber wenn eine starke Trainingsgruppe da ist, dann pusht man sich gegenseitig. So war es auch bei mir. Übrigens habe ich zwar die erste Medaille gewonnen, aber die Ära nicht eingeläutet. Ich habe nur gezeigt, dass man Medaillen gewinnen kann. Markus (Anm.: Rogan) hat es mir am nächsten Tag gleich nachgemacht (lacht). Meiner Meinung nach gab es in Österreich immer wieder Leute, die gezeigt haben, dass es geht. Vera Lischka hat 1996 gezeigt, dass man Medaillen gewinnen kann, Sonja Hausladen schon viel früher mit ihrem Finaleinzug bei den Olympischen Spielen 1980. Das gerät manchmal in Vergessenheit.

 

„Man hätte sich vielleicht gewünscht, als diese Erfolgswelle noch da war, dass sich was tut.“

 

Wie beurteilen Sie die Trainingsbedingungen hierzulande?

Wenn ich nicht im Ausland sehen würde, wie die Trainingsbedingungen in Ländern sind, in denen Schwimmen ein höheres Ansehen hat, würde ich denken, es ist o.k. Natürlich wäre es besser, wenn es mehr 50-Meter-Becken geben würde und wenn man im Winter in einer Halle trainieren könnte. Man muss sich ja auf Wettkämpfe vorbereiten. In Österreich gibt es nicht besonders viel Infrastruktur. Das ist, wie es ist – man hätte sich vielleicht gewünscht, als diese Erfolgswelle noch da war, dass sich was tut. Natürlich könnte man das als Sportler angefressen beobachten und sich fragen: Warum kriegen wir das nicht? Auf der anderen Seite ist es nicht billig, so etwas zu erhalten.

In Neusiedl am See wurde lange diskutiert, ob das Hallenbad geschlossen wird. Was sagen Sie zu solchen Diskussionen?

Das ist eine politische Entscheidung. Wenn man das Interesse hat, dass sich aus dieser Gegend erfolgreiche Schwimmer entwickeln wie Lena Grabowski, dann sollte man sich etwas überlegen, wie man das lösen kann. Ich persönlich habe in Neusiedl vor ein paar Jahren bei einer Kundgebung mitgemacht und mich dafür ausgesprochen, dass das Hallenbad bestehen bleibt.

Wie wichtig sind Erfolge bei Großereignissen wie einer WM oder Olympia im Hinblick auf ein besseres Image für den Schwimmsport?

Natürlich bekommen diejenigen, die gute Leistungen bringen, auch die nötige Unterstützung und damit einen gewissen Vorteil. Aber ich habe zum Beispiel einmal in einer Gruppe trainiert, in der es Athleten gab, die international erfolgreich waren, und auch einige, die nicht international dabei waren. Und die weniger Erfolgreichen hatten daraufhin auch weniger Möglichkeiten und blieben deshalb bei ihren Vereinen und somit oft bei den schlechten Bedingungen. Wir haben uns aber zu helfen gewusst, und sind einander immer auf verschiedenen Wegen entgegengekommen.

Im Endeffekt muss man sich ein System überlegen, um erfolgreich im Schwimmsport zu werden. Meiner Meinung nach ist das vor allem die Infrastruktur. Eine zweite Möglichkeit wäre, dass man die erfolgreichen Trainer herauspickt und um deren Unterstützung bittet. Der Verband darf sich nicht versperren und sollte offen für Neues sein.

 

 

Wie notwendig sind finanzielle Unterstützungen für die oftmals noch sehr jungen Athletinnen und Athleten, die an internationalen Bewerben teilnehmen?

Diese Unterstützungen sind sehr wichtig. In anderen Ländern gibt es Unterstützungen und in manchen Ländern finanzieren es auch die eigenen Eltern, aber da gibt es zumindest die nötige Infrastruktur. Die Vereinsförderung in Österreich und die Förderung der Infrastruktur sollte gegeben sein. Ich musste zum Beispiel eine Zeitlang neben dem Schwimmen arbeiten gehen.

Wie hat das funktioniert? Gab es dabei Probleme?

Ganz gut, bis ich einmal umgekippt bin. Wenn du vor der Arbeit trainieren gehst und dann nach der Arbeit erneut trainieren gehst, dann bleibt dir nicht mehr viel Zeit zum Erholen.

Ist es häufig der Fall, dass Schwimmprofis nebenbei arbeiten gehen müssen?

Ja, da gibt es ein anderes Beispiel: Ich kannte damals einen Wassersportler, der im Kader bei internationalen Wettkämpfen aktiv war und der im Sommer ebenfalls arbeiten gehen musste und sich nicht nur auf den Sport konzentrieren konnte. Der ist gestanden und hat Rippchen gegrillt.

Wie oft trainiert ein Schwimmprofi, ob mit oder ohne zusätzlichen Job?

In der Regel elfmal pro Woche.

Eine letzte Frage zu den Schwimm-Weltmeisterschaften: Heben Sie Ihre silberne WM-Medaille von Fukuoka 2001 an einem besonderen Ort auf?

Ich muss gestehen, dass ich erst seit einem Jahr genau weiß, wo die liegt – in meinem Schrank.

 

Facts zur Schwimm-Weltmeisterschaft 2019

Die 18. Schwimmweltmeisterschaften finden in diesem Jahr im südkoreanischen Gwangju statt. Bis 28. Juli werden in insgesamt 78 Entscheidungen Medaillen vergeben. Neben Wettkämpfen im Becken- und Freiwasserschwimmen finden ebenfalls Entscheidungen im Wasser- und Klippenspringen, im Synchronschwimmen sowie im Wasserball statt.

Für Österreich nehmen insgesamt elf Athletinnen und Athleten teil, darunter Kurzbahn-Vize-Weltmeisterin Caroline Pilhatsch sowie der zweimalige Finalteilnehmer von 2017, Felix Auböck. Die letzte OSV-WM-Medaillengewinn bei einer Langbahn-WM liegt zehn Jahre zurück, als Mirna Jukic Bronze über 200 Meter Brust gewann.

 

Interview: Martin Wallentich, Nedim Osmanovic.

Bilder: Nedim Osmanovic, Ivana Milosavljevic, Alexander Lunzer.