Sky Experte Pargfrieder: „Für Pöltl kann es keinen besseren Zeitpunkt geben in die NBA zu gehen“

  • Karl Schweitzer: „Unser Problem ist es, dass wir den Basketball nicht in den Ballungszentren haben“
  • Matthias Zollner: „Güssing hat für den österreichischen Basketball international viel geleistet“
  • Lucas Hajda: „Die Nachwuchsarbeit in Österreich muss professioneller werden“


Wien, 24. April 2016.
Beim dritten und letzten ABL Talk der Saison standen die Causa Güssing, Jakob Pöltl sowie die anstehenden Playoffs im Mittelpunkt der Diskussion. Die wichtigsten Aussagen zum Talk bei Sky Sport Austria.

(ABL Präsident):

…über die Playoffs: „Heuer haben tatsächlich alle acht Mannschaften Chancen auf den Titel. Natürlich gibt es drei oder vier Klubs, die momentan höher einzuschätzen sind, aber ich glaube, dass es so spannend wird wie noch nie. Kapfenberg hat sehr viel Potenzial, das noch nicht ausgeschöpft wurde, sie treffen aber schon jetzt auf Wels, die ebenfalls sehr viel Potenzial haben. Oberwart darf man auf keinen Fall unterschätzen und auch Vienna nicht, wenn sie mit ihrem neuen Trainer endlich klarkommen.“

…über den neuen Trainer des BC Vienna Darko Russo: „Aus der Entfernung betrachtet kann man sagen, dass der Trainer die Mannschaft offensichtlich noch nicht so erreicht wie sich das Management das vorstellt. Ich habe ihn einige Male beim Training beobachtet, für mich hat er den Eindruck hinterlassen, dass er nicht weiß wie man mit einzelnen Spielerpersönlichkeiten umzugehen hat und ich glaube, dass das eins seiner Probleme ist.“

…über die Serie Oberwart – Gmunden: „Oberwart spielt ganz anders als alle anderen, nämlich enorm schnell. Die Frage wird sein, wie Gmunden mit diesen schnellen Spielern umgehen kann und mit der Aggression, mit der Oberwart spielt, kommen viele Mannschaften nicht zurecht. Niemand rechnet damit, dass so rasch und giftig attackiert wird, das wird auch ein Faktor für den Ausgang dieses Duells.“

…über die Güssing Knights: „Ich bin heute noch sehr froh darüber, dass Güssing den österreichischen Basketball auf internationaler Bühne sehr gut vertreten hat, allerdings kann ich nicht damit leben, dass ein Teil des Erfolgs damit erreicht wurde, dass man allzu große finanzielle Risiken genommen hat. Schlussendlich ist dieses Pokerspiel, das hier betrieben wurde, verloren gegangen.“

…über die wirtschaftliche Situation der Liga: „Wir hatten ursprünglich 12 Mannschaften in der Liga, dann ist Klagenfurt weggefallen. Mit elf Mannschaften wollte niemand spielen, es hat sich aber auch kein Team aufgedrängt um aufzustocken, deswegen sind wir bei zehn gelandet. Momentan haben wir neun Klubs und aufgrund der Vorfälle von Güssing ist es unsere Aufgabe die wirtschaftlichen Gegebenheiten noch genauer zu überprüfen, ich weiß nicht, wie viele Klubs die Voraussetzungen erfüllen werden. Die Klubs haben immer mehr Schwierigkeiten ihre Budgets aufzustellen, dem müssen wir Rechnung tragen, aber wir müssen auch versuchen das Niveau des österreichischen Basketball zu haben und das ist momentan eine äußerst schwierige Aufgabe. Wir haben jetzt unsere Hausaufgaben zu machen, damit wir nicht wieder während der Saison von Überraschungen erfahren.“

…über die Struktur der Liga: „Ab der nächsten Saison gibt es bei der derzeitigen Beschlusslage den direkten Aufstieg aus der zweiten Liga und den Direktabstieg. Aber natürlich haben wir zu dem Zeitpunkt nicht damit rechnen können, dass wir jetzt zu neunt sind. Die Villach Raiders haben sich sportlich zwar nicht qualifiziert, möchten aber rauf und jetzt müssen wir uns genauer ansehen, ob sie die Voraussetzungen für die Bundesliga erfüllen. Wir müssen eine Lösung für die Liga finden, aber das ist nicht so einfach.“

…über die Bedeutung von Jakob Pöltl für die ABL: „Es wird mit Pöltl in der NBA mehr Berichterstattung in den Medien geben, ob wir davon profitieren können kann ich nicht voraussagen. Viel wesentlicher ist wie unsere Klubs in Zukunft weiterarbeiten. Wir stehen an einer Weggabelung: schaffen wir es mit den Klubs, die jetzt in der Liga sind, den nächsten Schritt zu machen und noch professioneller zu werden, dann werden wir eher von Pöltl profitieren können. Schaffen wir es nicht, gibt es eher eine Entwicklung in Richtung Amateurliga, dann wird das nicht so einfach. Unser Problem ist, dass wir den Basketball nicht in den Ballungszentren haben, es ist eine Aufgabe für uns, dass wir endlich Klubs in Linz, Innsbruck, Salzburg und Klagenfurt haben, die in der ersten Liga spielen. Dann kann ich mir schon eher einen Pöltl-Effekt vorstellen, in Güssing kann er sich nicht mehr auswirken: die Halle war voll, die Stimmung war toll, was soll er da noch bewegen?“

(Ex-Trainer Güssing Knights):

…über die Playoffs: „Realistische Titelchancen haben alle acht Teams, es gibt dieses Jahr ein sehr ausgeglichenes Starterfeld, in dem mit Kapfenberg ein Team auf Platz 7 sehr gute Chancen hat am Ende ganz oben zu stehen.“

…über Kapfenberg: „Sie sind sicherlich aufgrund ihrer Erfahrung und ihrem Anspruch ganz vorne dabei zu sein ein sehr unangenehmer Gegner. Aber ob Gmunden viel angenehmer ist, wage ich zu bezweifeln. Um körperliche Frische geht es in den Playoffs nicht, sondern mehr um mentale Eigenschaften, Erfahrung, Willen, Einsatzbereitschaft.“

…über Darko Russo: „Ich habe gegen ihn gecoacht, als er zum ersten Mal Trainer war in Wien, das war der strukturierteste Gegner, dem ich in Österreich begegnet bin und sie haben auch unter seiner Ägide einen unglaublichen Lauf gehabt. Für einen Trainer ist es sehr schwer eine Mannschaft so kurz vor dem Ende der regulären Saison zu übernehmen, weil eigentlich keine Zeit ist zu trainieren. Alle Veränderungen, die er vornimmt, passieren im Endeffekt alle während dem Spiel oder in der Spielvorbereitung. Deswegen wird es ein bisschen dauern, bis man seine Handschrift sieht und sich der Erfolg einstellt. Jetzt wird es spannend zu sehen, ob es noch rechtzeitig hinhaut, bevor sie auf einen Gegner treffen, der sie ausschalten kann.“

…über die Serie Oberwart – Gmunden: „Es gibt hier zwei Faktoren. Einmal ist die Ballkontrolle sicherlich ganz wichtig, zum anderen wird es für mich sehr interessant sein zu sehen, wie sich das Oberwarter Spiel in einer Serie verhält. Sie leben sehr viel vom Überraschungseffekt durch wechselnde Verteidigungsarten, der wird in einer Serie, in der man sich besser auf den Gegner einstellen kann, weniger effektiver sein als im Grunddurchgang. Deswegen wird es sehr interessant sein, wie sie ihr Spiel anpassen.“

…über den Güssinger Konkurs: „Ich finde es nach wie vor sehr tragisch, dass Güssing nicht mehr teilnimmt an der ABL. Das ist tragisch für die Güssing Knights, aber noch tragischer für die Spieler und Angestellten des Vereins, die auf der sportlichen Ebene einen sehr guten Job gemacht haben und es ist tragisch für den österreichischen Basketball, weil wir für den österreichischen Basketball in den vergangenen zwei Jahren auch international viel geleistet haben. So ein Aushängeschild Konkurs gehen zu sehen tut natürlich weh und ist nicht gut für den österreichischen Basketball insgesamt.“

…über seine Informationen über die Situation der Knights: „Wir haben irgendwann gemerkt, ich schätze Ende 2015, dass es zu Zahlungsschwierigkeiten kommt. Aber das ist keine Seltenheit im Profisport, nicht nur im Basketball und ich habe gehofft, dass sich das im Laufe der Saison wieder regelt, weil man im Profisport auch immer abhängig ist von Sponsoren und Gönnern, die Zusagen gemacht haben und dann unter Umständen nicht einhalten. Mir fehlt aber der genaue Einblick in Güssing, ich war für das Sportliche zuständig, mit der finanziellen Seite habe ich mich überhaupt nicht beschäftigt. Bei mir gibt es kein schlechtes Gewissen, weil ich immer die Zusicherung hatte von Vereinsseite, dass das Budget auch zur Verfügung steht. Natürlich wäre es aus der Retrospektive für den Basketball in Güssing vielleicht besser gewesen mit weniger Legionären zu spielen, aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Unser Projekt, das wir in Güssing aufgebaut haben, war auch darauf ausgelegt international wettbewerbsfähig zu sein.“

…über die Folgen für die österreichischen Spieler: „Es ist wichtig für den österreichischen Basketball, dass gerade die Spieler, die Schlüsselspieler für die Nationalmannschaft sind, jetzt etwas machen, vielleicht auch vom ÖBV die notwendige Unterstützung und die Möglichkeit bekommen auf strukturierte Art zu trainieren.“

…über die Struktur der ABL: „Man muss sich die Gegebenheiten in Österreich mal vor Augen führen und sich an vergleichbaren Ländern orientieren, in denen der Basketball stark ist. In all diesen Ländern gibt es ein oder zwei absolute Spitzenteams, die international wettbewerbsfähig sind, in denen sich die besten heimischen Spieler sammeln und die dann einen Sonderstatus in der Liga haben. Dadurch entsteht die Möglichkeit für österreichische Spieler Erfahrung auf höchstem Niveau zu sammeln und sich nicht vier Mal im Jahr mit semiprofessionellen Mannschaften zu messen. In Österreich ist der finanzielle Rahmen einfach nicht da, um 12 voll professionelle Mannschaften zu haben, wahrscheinlich nicht einmal sechs. In Güssing hat das nicht funktioniert, aber für die Güssinger Umstände ist das Budget, das wir aufgestellt haben, sensationell, auch wenn es am Ende nicht ganz gereicht hat.“

(Sky Experte):

…über die Playoffs: „Einen klaren Favoriten gibt es für mich nicht, es ist alles sehr eng beieinander. Oberwart hat als Nutznießer des Güssinger Lizenzentzugs Heimrecht bis in ein mögliches Finale, sie haben schon gezeigt, dass sie Titel gewinnen können mit dem Cup heuer und mit Druck umgehen können. Das interessante Duell im Viertelfinale ist definitiv Wels-Kapfenberg, es würde mich überhaupt nicht überraschen, wenn das über fünf Spiele geht. Das sind zwei Mannschaften, denen beiden zuzutrauen gewesen wäre ins Halbfinale einzuziehen.“

…über Kapfenberg: „Es ist fast schon ungewohnt für Kapfenberg, dass alle Spieler gesund sind. Aber wenn es eine Mannschaft schafft schnell einen Rhythmus zu kriegen, dann sicher diese erfahrene Kapfenberger Mannschaft, in der Leute spielen, die schon viele Playoffserien auf dem Buckel haben. Dementsprechend würde ich nicht fix auf den Zweitplatzierten der Tabelle setzen.“

…über den Welser Coach Mike Coffin: „Er war ja kein kompletter Rookie-Coach, er hat ja in der zweiten Bundesliga schon ein bisschen Erfahrung gesammelt und war als Spieler auch schon zu 50% Coach, vor allem in den letzten Jahren. Er war immer schon ein sehr strategischer und schlauer Spieler und ich glaube, dass er auch als Coach mit dieser Welser Mannschaft recht gut funktioniert. Er ist ein ehemaliger Spieler, die Spieler wissen das und so ist er ihnen gegenüber glaubwürdig und er spricht sehr deutlich und gut die Sprache der Spieler.“

…über den diesjährigen MVP: „Dadurch, dass die Liga so ausgeglichen ist und es keine herausragende Mannschaft gibt, ist die gesamte Award Season sehr interessant. Der MVP ist das eine, der beste Österreicher das andere. Das Feld ist für mich heuer sehr breit.“

…über den Ligamodus: „Alles hängt davon ab wie viele Mannschaften in der Liga spielen. Wir hatten mal 12 Mannschaften in der Liga, da war die Situation einfacher, der Spannungsbogen war besser, weil man nicht gegen jeden vier Mal spielen musste. Wenn wir jetzt die Liga auf acht Mannschaften gesund schrumpfen, dann wird es wirklich schwierig. In einer idealen Welt würde ich sagen, dass sich 12 Mannschaften gut angefühlt haben, aber momentan sieht es nicht so aus, dass sich Österreich das leisten kann.“

…über Jakob Pöltl: „Er hat gezeigt, dass er sich im letzten Jahr noch irrsinnig weiterentwickelt hat, er hat viel an seinem Spiel gearbeitet und ist heuer ein ganz anderer Spieler gewesen als voriges Jahr. Gott sei Dank hat er sich nicht verletzt und hat auch persönlich eine deutliche bessere Saison gespielt. Mit all den Awards, mit denen er überschüttet wurde, mit der nationalen Aufmerksamkeit, die er in den USA bekommen hat, kann es keinen besseren Zeitpunkt geben in die NBA zu gehen. Aber es wird ein bisschen sein Problem werden, welche Mannschaft sich einen klassischen Big Man nimmt in einer Liga, in der das nicht modern ist. Aber eine Mannschaft wird sicher sein Potenzial sehen und das Projekt Pöltl für sich starten. Ich wünsche ihm einfach eine Mannschaft, die wirklich mit ihm arbeiten will.“

…über die Chancen weitere Österreicher in der NBA zu sehen: „Pöltl ist aus meiner Sicht momentan für Österreich ein Zufallsprodukt. Da hat der Genpool gestimmt, Sportlerhintergrund, zufällig in die richtige Sportart reingefallen, zufällig in einer Gruppe von Jugendlichen gewesen, in der er dabei bleibt, weil es Spaß macht und dann ist es dahingegangen. Aber das ist kein geplanter Prozess gewesen ein Talent zu entwickeln, er ist uns passiert. Jakob Pöltl muss der Auslöser dafür zu sein zu erkennen, was man dafür tun muss, dass es kein Zufallsprodukt ist. Man kann aus einem Basketballzwerg wie Österreich in die NBA kommen, aber jetzt muss man analysieren, was man tun kann um vielleicht in fünf Jahren einen zweiten Spieler nachzuschießen.“

(Sky Experte):

…über Kapfenberg: „Die Erwartungshaltung ist jetzt schon sehr groß. Sie haben immer gesagt, dass sie gute Chancen haben, wenn sie komplett sind, dann steigt der innere Druck und sie müssen es jetzt zeigen auf dem Feld. Das ist eine Situation, die auch auf erfahrene Spieler belastend wirken kann, ich bin ganz neugierig wie die neu zusammengewürfelte Mannschaft aussehen wird in einer sehr harten Serie gegen die Welser.“

…über die Saison von Fürstenfeld: „Marko Car ist ein irrsinnig wichtiger Faktor und kann ein genialer Spieler sein, wenn er seinen Tag erwischt, aber es gibt auch andere Faktoren. Sie waren selbst überrascht wie stark sie waren, auch Spieler, mit denen man nicht gerechnet hat, hatten irrsinnig gute Statistiken. Die Mischung hat sehr gut gepasst, es hat einfach gut funktioniert. Dann gab es Verletzungen, auch Car hat es erwischt und dann ist einfach Sand ins Getriebe gekommen. Das kann man bei den meisten Mannschaften beobachten, das im Laufe der Saison ein Tal vorkommt, aber sie haben sich dann nicht mehr gefangen. Dann haben sie mit Katura einen guten Spieler dazubekommen, aber Car ist auch eine Diva und miteinander funktionieren sie noch nicht so gut. Es fehlt einfach die Chemie und wenn man auswärts so viel verliert, dann ist es schwierig. Insofern ist es auch für Playoffs eine schwierige Situation, sie haben das Heimrecht nicht geschafft und mit der eklatanten Auswärtsschwäche wird es schwierig gegen Vienna, die sehr viel Erfahrung und das Heimrecht haben.“

…über den Ligamodus: „Mir sind 36 Spiele schon viel vorgekommen und für die eine oder andere Mannschaft, gerade wenn die Kadersituation angespannt ist, ist diese Anzahl an Spielen sehr viel. Da wäre eine gewisse Reduktion auf den Modus wie zuvor mit der Hauptrunde durchaus sinnvoll.“

…über Pöltl: „Er hat eine geniale Mischung aus körperlichen Voraussetzungen, Willen, dem richtigen Kopf, er ist bescheiden und er hat auf die richtigen Leute gehört. Da hat er einige Male sehr gute Entscheidungen getroffen, momentan schaut es so aus, als ob er fast alles richtig gemacht hat. Er hat irrsinnig viel richtig gemacht und jetzt kommt es auch aufs Glück an, wo kommt er hin und wie entwickelt sich das in der NBA weiter.“

…über die Möglichkeiten für die ABL von Pöltl zu profitieren: „In Deutschland wurde der Professionalismus in den 80er Jahren gelebt, da wurde konsequent aufgebaut und davon sind wir in Österreich auch heute noch weit entfernt. Die Nachwuchsarbeit ist extrem amateurhaft, es fehlt einfach der Unterbau, das muss professioneller werden.“